Schwerpunkte

Liegenschaften

Antragsverfahren


Antrag auf Naturalrestitution

Prinzipiell ist jede Privatperson zur Antragstellung berechtigt. Das Entschädigungsfondsgesetz definiert jedoch klar, welche Kriterien der/die Antragsteller/in erfüllen muss.

Kriterien

Um einen Antrag auf Naturalrestitution stellen zu können, müssen in erster Linie die Kriterien des Vermögensentzugs und des öffentlichen Eigentums erfüllt sein:

Vermögensentzug

Die Liegenschaft wurde dem rechtmäßigen Eigentümer/der rechtmäßigen Eigentümerin zwischen dem 12. März 1938 und dem 9. Mai 1945 entzogen. Die Form der Vermögensübertragung in der NS-Zeit spielt dabei für die Einstufung als Entziehung keine Rolle. Entziehungen sind nicht immer durch einen Hoheitsakt (Vermögenseinziehung, Vermögensverfall) erfolgt, sondern in den meisten Fällen durch Kaufverträge getarnt worden, manchmal auch durch Zwangsversteigerungen, Schenkungen und Erbschaft.

Öffentliches Eigentum

Diese Voraussetzung liegt vor, wenn sich die Liegenschaft am Stichtag 17. Jänner 2001 in öffentlichem Eigentum befunden hat. Da es sich beim Entschädigungsfondsgesetz um ein Bundesgesetz handelt, umfasst der Begriff „öffentliches Vermögen“ ausschließlich Bundesvermögen. Das Entschädigungsfondsgesetz sieht unter § 38 (Rechtsgrundlagen) jedoch die Möglichkeit eines so genannten „Opt-In“ für Länder und Gemeinden vor. Das bedeutet, dass Länder und Gemeinden durch Landtags- bzw. Gemeinderatsbeschluss die notwendige rechtliche Grundlage schaffen können, um öffentliches Vermögen auf seine allfällige Vorgeschichte in der NS-Zeit hin überprüfen zu lassen. Die Schiedsinstanz behandelt somit nur jene Anträge auf Naturalrestitution, in denen das Land, die Stadt oder die Gemeinde von der Möglichkeit des „Opt-In“ Gebrauch gemacht hat und dadurch Anträge auf Naturalrestitution durch die Schiedsinstanz überprüfen lässt.

Berücksichtigung früherer Verfahren

Da die meisten Liegenschaften bereits einmal Gegenstand von Rückstellungsverfahren gewesen sind, spielen folgende Voraussetzungen eine wesentliche Rolle in den Verfahren vor der Schiedsinstanz:

Antragsberechtigte Personen

Antragsberechtigt sind laut Entschädigungsfondsgesetz (Rechtsgrundlagen):

Verfahren vor der Schiedsinstanz

Nach 1945 wurden Rückstellungsanträge hinsichtlich eines Großteils der entzogenen Liegenschaften gestellt. Die Rückstellungsverfahren wurden zumeist in Form gerichtlicher Entscheidungen oder einvernehmlicher Regelungen (Vergleiche) abgeschlossen.

  1. Naturalrestitution in den 1940er/1950er Jahren:
    Sofern eine Liegenschaft in den späten 1940er oder 1950er Jahren in natura restituiert wurde, lehnt die Schiedsinstanz einen Antrag auf Naturalrestitution nach der aktuellen Entscheidungspraxis ab.
  2. Frühere Entscheidung im Rückstellungsverfahren oder Vergleich:
    Die Schiedsinstanz kann einstimmig zur Auffassung gelangen, dass eine frühere Entscheidung oder einvernehmliche Regelung (Vergleich) eine extreme Ungerechtigkeit dargestellt hat. Weder das Washingtoner Abkommen (Rechtsgrundlagen) noch das Entschädigungsfondsgesetz (Rechtsgrundlagen) definieren, nach welchen Kriterien das Vorliegen einer „extremen Ungerechtigkeit“ beurteilt wird.

    Laut derzeitiger Spruchpraxis der Schiedsinstanz müssen folgende beiden Kriterien erfüllt sein, um vom Vorliegen einer „extremen Ungerechtigkeit“ sprechen zu können:
    1. Wertdifferenz (Wertdiskrepanz zwischen dem tatsächlichen Wert der Liegenschaft und der Summe, die den RückstellungswerberInnen im Vergleich zugesprochen wurde)
    2. Einschränkung der Privatautonomie

    Die Einschränkung der Privatautonomie der RückstellungswerberInnen wurde in den Entscheidungen der Schiedsinstanz folgendermaßen definiert:

    • wirtschaftliche Ungleichgewichtslage oder Informationsdefizite beim Rückstellungswerber (Entscheidung 25/2005 der Schiedsinstanz, Randzahl 147)
    • eingeschränkter oder fehlender Zugang zu den für das Rückstellungsverfahren relevanten Informationen (Entscheidung 46/2006 der Schiedsinstanz, Randzahl 77)
    • Verhandlungsungleichgewicht im Rückstellungsverfahren: „Die Willensbildung konnte aufgrund einer infolge der NS-Zeit angespannten wirtschaftlichen oder psychischen Lage beeinträchtigt sein.“ (Entscheidung WA 2/2007 zu 46/2006 der Schiedsinstanz, Randzahl 202)

    Alle bisherigen Entscheidungen der Schiedsinstanz hinsichtlich von Anträgen auf Naturalrestitution sind über eine Datenbank in anonymisierter Form aufrufbar.

  3. Auftauchen neuer Beweise:
    Die Schiedsinstanz entscheidet auch über Fälle, in denen die Forderung durch österreichische Gerichte oder Verwaltungsbehörden aus Mangel an Beweisen einst abgelehnt wurde. Derartige Beweise waren den RückstellungswerberInnen seinerzeit nicht zugänglich, sind jedoch in der Zwischenzeit verfügbar geworden.